Wie Sie das richtige Bettsystem finden
Als Dozentin für Physiotherapie verfügt Claudia Erdmann über profunde Kenntnisse in Orthopädie, Ergonomie und Rückengesundheit. Weiterhin kennt Sie sich rund um das Thema Bett hervorragend aus, da sie seit vielen Jahren im Bettenmarkt tätig ist.
Sie schult Schlafberater, berät Kunden im Bettenfachhandel bei der Auswahl ihres individuell passenden Bettsystems und hält Vorträge über Themen rund um Bett & Gesundheit. Somit ist Claudia Erdmann die perfekte Schnittstelle zwischen Medizin und Betten-Know-how.
Anlässlich der Betten Heller Rückentage Anfang September 2017 hatte ich die Gelegenheit, dieses Interview mit Frau Erdmann zur Auswahl des richtigen Betts zu führen.
Frau Erdmann, warum ist erholsamer Schlaf so wichtig?
Guter Schlaf ist für die Regeneration unseres Körpers von höchster Bedeutung. Nachts regenerieren sich viele unserer Zellen von den Muskeln bis hin zu Organzellen; wichtige Prozesse für ein gut funktionierendes Immunsystem finden statt; unser Gehirn verarbeitet Erlebtes und Gelerntes und Stress kann verarbeitet und abgebaut werden.
Also: In der Nacht ist eine Menge los, wenn wir schlafen! Eine erholsame Nachtruhe liefert einen elementar wichtigen Beitrag für unsere körperliche und psychische Gesundheit. Wenn wir schlecht schlafen, kann diese wichtige Regeneration nicht vollständig stattfinden, was sich negativ auf unser Wohlbefinden am Tag und mittelfristig sogar auf unsere Gesundheit auswirkt.
Medizinische Studien beweisen, dass schlechter Schlaf auf Dauer einen Anteil daran hat, an Diabetes, Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken, und auch stressbedingte Folgeerkrankungen negativ beeinflusst.
Was kann ich tun, damit ich erholsam schlafe?
Unser Schlaf wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Ein zentraler Faktor für erholsamen Schlaf ist das passende Bett. Nur wenn unser Körper nachts schmerzfrei und entspannt liegen kann, werden wir erholsam und qualitativ gut schlafen.
Egal, was der Mensch am Tag erlebt, wie er sich angestrengt hat, was er seinem Körper abverlangt hat und welche gesundheitlichen Belastungen er mit sich herumtragen muss – eins trifft doch für alle am Abend gleichermaßen zu: Wir gehen ins Bett und wünschen uns Erholung und Regeneration. ‚Passt‘ mein Bett zu mir, so habe ich gute Chancen, möglichst viel Positives aus meiner Nacht/meinem Schlaf ‚rauszuziehen‘. Passt es nicht, so verschenke ich Schlafqualität und somit Lebensqualität.
Denn wir kennen das doch alle: Wenn wir schlecht geschlafen haben, ist schon der Start in den Tag belastet und der Tagesverlauf oft mühsam und freudlos.
Wie liege ich denn richtig?
Ziel sollte es sein, dass unser Körper im Bett ‚in Balance‘ liegen kann. Es wird gern vom ‚physiologischen Lot‘ gesprochen, d.h., der Bauplan unseres Körpers sollte im Liegen möglichst erhalten bleiben und zwar in Bezug auf Gelenkstellungen, Muskelzug, Bandscheibendruck etc. Um zu überprüfen, ob dieses ‚physiologische Lot‘ auch im Liegen eingehalten wird, gibt es gut sichtbare Anhaltspunkte, die in Seiten- und Rückenlage beachtet werden können.
Ich nenne es den ’10er-Blick‘. Natürlich liegt man nicht die ganze Nacht in dieser optimalen Position, doch der Körper sollte die Möglichkeit haben, jederzeit in diese „neutrale“ Position wechseln zu können. Je mehr Liegepositionen ich dem Körper anbiete, in denen er ‚in Balance‘ liegen kann, desto häufiger wird sich der Körper in der Nacht dorthin orientieren.
So wird das zu häufige Drehen und Wenden, weil der Körper keine Position mehr findet, in der er entspannt und erholt liegen kann, reduziert und der Mensch schläft besser.
Welche Aufgabe hat das Bettsystem?
In der Nacht übernimmt das Bettsystem, also Matratze, Lattenrost und Kopfkissen, die Aufgaben der Muskulatur. Die optimale Schlafunterlage muss den einzelnen Körperpartien entweder Raum zum Einsinken oder Unterstützung bieten, damit unser Körper entspannt und ‚in Balance‘ liegen kann. Meine Devise lautet: Eine gut auf den Menschen abgestimmte Bettausstattung ist ‚die Muskulatur für die Nacht‘.
Die Muskulatur ist nicht nur für unsere Bewegungen zuständig, sondern auch dafür, uns zu halten. Am Tage kann ich ganz bewusst dafür Sorge tragen, mich gesund zu bewegen und zu halten. Im Schlaf habe ich keinen bewussten Einfluss auf meine Haltung. Wenn mein Bett dann nicht zu mir passt, wird die Muskulatur durch vermehrte Anspannung versuchen, meinen Körper in Balance zu halten.
Dies hat oft Muskelschmerzen und massive Verspannungen zur Folge. Nachts sollte deshalb das Bett diese ‚Muskelaufgabe‘ übernehmen, indem ich so liege, dass die Gelenke, Muskeln und Strukturen nicht gestresst werden.
Worauf sollte ich beim Kauf meines neuen Bettes achten?
Beim Bettenkauf sollten Sie auf zwei wichtige Aspekte achten: 1.) auf die Qualität der Materialien und 2.) darauf, dass das Bett zu Ihnen ‚passt‘. Die objektive, hohe Qualität von Matratze, Lattenrost und Kopfkissen ist entscheidend dafür, dass Sie lange gut darauf schlafen, ohne dass sich Mulden bilden und das Material frühzeitig ermüdet.
Ob ein Bett zum Schläfer passt, hängt wiederum von zwei Aspekten ab: Zunächst muss das Bettsystem den Körper des Schläfers so lagern, dass er ‚in Balance‘ liegt. Dies lässt sich mit objektiven Kriterien feststellen. Hier ist gute Beratung von ausgebildeten Bettenfachleuten erforderlich, die fundierte Kenntnisse der menschlichen Anatomie, typischer Erkrankungen sowie natürlich der Eigenschaften unterschiedlicher Bettsysteme in die Beratung einbringen.
Zudem muss sich der Schläfer ganz subjektiv auf seiner Matratze wohlfühlen. Hier kommt es allein auf die Empfindung des Schläfers an. Ein Bettsystem ist also erst dann ‚passend‘ für einen Schläfer, wenn er darauf objektiv in Balance liegt UND sich gleichzeitig – ganz subjektiv – darauf wohlfühlt.
Wie erkenne ich die Qualität einer Matratze?
Bei Schaummatratzen ist z.B. das Raumgewicht ein objektives und vergleichbares Kriterium für Qualität.
Die Faustformel lautet hier: je höher das Raumgewicht, desto hochwertiger, haltbarer und langlebiger ist die Matratze. Ich empfehle Schaummatratzen mit einem Raumgewicht von mindestens 45 kg/m³.
Und die Zonen der Matratze, sind die wichtig?
Unterschiedliche Zonen in einer Matratze sind sehr sinnvoll. Allerdings ist der Begriff ‚Zone‘ bei Matratzen nicht genormt. Man könnte theoretisch eine Matratze durch eine einzige kleine Ritze in der Oberfläche in zwei Zonen einteilen, die sich nicht voneinander unterscheiden müssten.
Wichtiger als die Anzahl der Zonen ist es, wie jede Zone ausgeprägt ist, wie stark sie sich voneinander unterscheiden und natürlich, ob die Ausprägungen zu den Besonderheiten des Schläfers passen. Nicht die Menge der Zonen ist entscheidend, sondern, ob sie in Anzahl und Ausprägung (‚Schnitttechnik‘) zu dem Menschen passen. ‚Viel hilft viel‘ gilt bei Matratzenzonen also nicht, auch wenn die Werbung uns dies häufig suggeriert.
Wie sieht es mit den Härtegraden aus?
Unterschiedliche Härtegrade sind bei Matratzen sehr sinnvoll, um unterschiedlich schweren Schläfern das optimale Bettsystem zusammenstellen zu können. Allerdings sind auch die Härtegrade von Matratzen nicht genormt.
So kann beispielsweise der Härtegrad ‚fest‘ von Hersteller zu Hersteller ganz unterschiedlich ausfallen – die Härtegrade verschiedener Hersteller sind also nicht vergleichbar. Und übrigens: Auch die Zusammensetzung des Materials ist nicht genormt. D.h., die Kaltschaummatratze von Hersteller ‚A‘ hat eine andere Mixtur als die von Hersteller ‚B‘.
Das lässt sich gut mit einem Streuselkuchen vergleichen: Zwei Streuselkuchen können gleich aussehen, aber ganz unterschiedlich schmecken, da die Bäcker sie nach unterschiedlichen Rezepten gebacken haben. So verhält es sich auch bei Matratzen. Ein schönes Bild dafür, dass scheinbar gleiche Matratzen doch nicht so einfach vergleichbar sind.
Wie häufig sollte ich meine Matratze austauschen?
Allein schon aus hygienischen Gründen sollte man seine Matratze spätestens nach 10 Jahren ersetzen, denn über diesen Zeitraum haben sich im Schnitt 2 bis 3 kg Hautschuppen, Haare, Milben und Salze in der Matratze abgelagert.
Doch nicht nur hygienische Gründe, auch Verschleiß und Materialermüdung machen einen Austausch des Bettsystems nach spätestens 10 Jahren erforderlich. Ich vergleiche das gern damit, dass man ja auch nicht 10 Jahre lang jeden Tag mit dem gleichen Paar Schuhe herumläuft oder sein Auto 10 Jahre/150.000 km mit den gleichen Reifen oder Bremsbelägen fährt.
Haben Sie noch einen Tipp?
Erstens: Tauschen Sie nicht nur Ihre Matratze aus, sondern betrachten Sie Lattenrost und Matratze als Teamplayer, die aufeinander abgestimmt sein müssen und daher auch gemeinsam ausgetauscht werden sollten.
Auch bei Lattenrosten ermüdet das Material und die Elastizität lässt über die Jahre erheblich nach. Zweitens: lassen Sie sich von einem Fachmann bei der Auswahl Ihres neuen Bettes beraten, denn schließlich geht es um Ihren erholsamen Schlaf und Ihre ausgeschlafenen Tage in den nächsten 10 Jahren. Im Beratungsgespräch werden Ihre Besonderheiten und Wünsche ermittelt, Sie werden vermessen und aufgrund dieser Informationen wird der Fachmann Ihnen das passende Bettsystem empfehlen, auf dem Sie dann in den nächsten Jahren erholsam schlafen.
Ich hoffe, meine Ausführungen tragen dazu bei, dass der Kunde eine klarere Vorstellung von der Wichtigkeit der Bettausstattung bekommt. Er sollte verstehen, wie viele einzelne Komponenten berücksichtigt werden müssen, um von einer wirklich ‚passenden‘ Bettausstattung reden zu können, und den damit verbundenen Stellenwert einer wirklich fachlich – auf Material und Mensch – ausgerichteten Bettberatung für sich erkennen!