Wie Sie das passende Kissen finden​

Unser heutiger Arbeitsalltag bringt es mit sich, dass viele Menschen unter ganz unterschiedlichen Beschwerden im Hals-, Nacken- und Schulterbereich leiden, die sich häufig in der Nacht verstärken oder die sich dann erst bemerkbar machen. Bei diesen Menschen spielt die richtige Lagerung in der Nacht eine wichtige Rolle

Susanne Heller, Inhaberin von Betten Heller in Göttingen, hat sich anlässlich der „Betten Heller Rückentage“ mit Claudia Erdmann zum Thema „richtige Kissenauswahl“ unterhalten.

Claudia Erdmann

Zur Person:

Claudia Erdmann ist renommierte Spezialistin für Schlaf- und Rückengesundheit. Sie ist Physiotherapeutin, Dipl. Berufspädagogin im Gesundheitswesen (FH) und Ergonomieberaterin mit dem Schwerpunkt „Sitzen und Liegen“.

Sie arbeitet sowohl als Fachdozentin an der Fachschule für Physiotherapie, Ergotherapie und Altenpflege DAA Münster & Herford, als Lehrbeauftragte an der Hamburger Fern-Hochschule (HFH) als auch als Ergonomieberaterin in den Bereichen Arbeit/Freizeit/Schlaf (AFS) mit dem Schwerpunkt Rückengesundheit.

In der Bettenbranche hat sie langjährige Erfahrung in: Verkauf, Unternehmensgestaltung und Schulungen. Frau Erdmann ist die Schnittstelle zwischen Medizin und Betten-Know-how. Sie kann die Besonderheiten der Schläfer optimal den Eigenschaften unterschiedlicher Bettsysteme zuordnen.

Eigentlich ist die Auswahl des richtigen Kissens gar nicht so schwierig, wenn man weiß, worauf man achten sollte. Auf dem deutschen Markt gibt es ca. 300 unterschiedliche Kopfkissen, die sich in Form, Höhe, Material und Qualität unterscheiden. Da sind Fehlkäufe vorprogrammiert und die Verunsicherung und der Frust groß, wenn man nicht weiß, worauf es ankommt.

Bei der Auswahl des richtigen Kissens kommt es auf zwei Aspekte an: 1.) Zunächst kommt es ganz objektiv auf die menschliche Anatomie an, d.h., dass die Wirbelsäule, Gelenke, Bandscheiben, Muskeln und alle sonstigen Strukturen in ihrer natürlichen Bauform so gelagert werden, dass sie gut unterstützt sind und sich entspannen und erholen können. Dies gelingt nur, wenn der Körper mithilfe der Bettausstattung in Balance gelagert ist.

Das, was die Muskulatur am Tag für unsere Haltung leistet, soll in der Nacht das Bett übernehmen. Nur so kann sich die Muskulatur nachts vom Tag erholen, können Verspannungen vom Tag abgebaut werden und weitere durch eine falsche Lagerung vermieden werden. Ich sage immer: ‚Eine gute Bettausstattung ist die Muskulatur für die Nacht und sorgt für entspannten Schlaf.‘ 2.) Außerdem kommt es auf das subjektive, individuelle Wohlfühlen des Schläfers mit SEINEM passenden Kissen an.

Wenn ein Kissen also objektiv-anatomisch und subjektiv-behaglich zu einem Schläfer passt, dann ist es das richtige Kissen.

Ganz klar: nein! Fast alle Schläfer sind Mischschläfer. Das heißt, dass sie nachts nicht ausschließlich in einer Position schlafen. Wir schlafen vielleicht immer in derselben Position ein und wachen immer in einer Position auf, doch nachts verändern wir unsere Liegeposition ca. 30 Mal.

Wir sind also mehr oder weniger Mischschläfer und da sollte ein Kissen für alle Schlafpositionen passen, wenn man entspannt schlafen möchte. Man muss sich also für keine Schlafposition entscheiden.

Beginnen Sie bei der Kissenauswahl in der Rückenlage. Dort müssen die Kontrollpunkte passen. Dann in die Seitenlage wechseln, in der sich dann viele Kunden beschweren, dass das Kissen nun zu flach sei. 

Das passiert tatsächlich häufig! Meist ist das Kissen dann in der Seitenlage zu niedrig: Die Halswirbelsäule kippt nach unten und die Halsmuskulatur überstreckt. In diesem Fall liegt es ausschlaggebend am Bettsystem, also an Matratze und Lattenrost, und gar nicht am Kopfkissen.

In der Seitenlage ist bei diesen Schläfern die Schulter ‚im Weg‘, die in den meisten Fällen nicht tief genug in die Matratze einsinken kann. Sie ‚bockt‘ den Körper in der Folge nach oben auf, wodurch der Kopf wiederum nach unten abknickt. Das verursacht in der Tat Kopf- und Nackenschmerzen. In diesem Fall sehnt sich der Kunde nach einem hohen Kissen, um das Abknicken des Kopfes zu verhindern. Doch mit einem höheren Kissen wird weder die Schulter entlastet noch liegt die Wirbelsäule waagerecht, sondern mit einem Knick.

In der Rückenlage überdehnt die Halswirbelsäule zudem und der Mensch liegt mit einem Doppelkinn auf dem zu hohen Kissen. In dem Fall, dass das Kissen in der Rückenlage optimal passt, in der Seitenlage aber zu flach ist, wird ein neues/anderes Kissen nicht die gewünschte Entlastung des Hals-Nacken-Schulter-Bereichs bringen.

Ich schätze, dass bei ¼ bis 1/3 der Menschen, die mehrere ungeeignete Kissen im Schrank haben, das Bettsystem die Ursache für die Hals-Nacken-Beschwerden ist und nicht das Kissen! Daher noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn das Kissen in der Rückenlage passt, in der Seitenlage aber zu flach ist, ist es die Aufgabe von Matratze und Lattenrost, für die Schulter Platz zu schaffen. Erst dann liegen sämtliche Strukturen in Balance und das Kissen passt.

Das alles ist kein Zauberwerk, doch es bedarf fundierten Wissens über die Biomechanik unseres Körpers und über das Zusammenwirken von Matratze, Lattenrost und Kissen (Aufbau, Material etc.) sowie ein klares Vorgehen in der Beratung.

Dann muss man sich ansehen, ob das Bettsystem optimal zum Schläfer passt, ob die Schulter weit genug einsinken kann, und ggf. an dieser Stelle optimieren. Matratze, Lattenrost und das Kopfkissen sind ein 3-er-Team, das aufeinander abgestimmt werden muss. Daher appelliere ich, sich auch beim Kissenkauf professionell und umfänglich beraten zu lassen!

Wir bedanken uns herzlich bei Claudia Erdmann für dieses informative Interview.